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AutorenbildMarco Huber

Wie hybride Arbeitsplatzkonzepte Unternehmensstrategien stützen

Beitrag, welchen ich anfangs 2022 für JLL geschrieben habe (Link)


 

Das hybride Arbeitskonzept der Zukunft definiert sich konsequent über die Unternehmensstrategie. Hierbei spielen Innovationskraft, emotionale Bindung und der Return on Investment die Hauptrollen. Eine «one size fits all»-Lösung existiert allerdings nicht. Jede Firma tut deshalb gut daran, sich angesichts ihrer Kultur, Tätigkeiten und Ziele für ein individuell passendes Konzept zu entscheiden.


Die Bedürfnisse von morgen

Heutzutage sprechen landauf, landab die CEOs globaler Unternehmen von hybridem Arbeiten und davon, wie wichtig es ist, die neue Form des Arbeitens für den eigenen Erfolg richtig zu deuten und dann zu implementieren. Dies war Ende 2019 noch nicht der Fall. Ganz klar hat die Pandemie ein vehementes Aufbrechen starrer Strukturen, Mindsets und Prozesse bewirkt. Führende Unternehmen nutzen dies gezielt als Chance, ihre Firmenstrategie zu adaptieren und schlussendlich von dieser Öffnung zu profitieren. Hierbei spielt die Unternehmenskultur eine tragende Rolle, und nichts prägt diese so sehr wie das Arbeitsumfeld.


Dabei müssen Konzerne aber unbedingt den Einfluss des hybriden Arbeitens berücksichtigen. Studien von JLL, wie das Worker Preferences Barometer (2021) oder der "Human Experience Report (2020)", zeigen, dass es zukünftig bei den meisten Unternehmen üblich sein wird, Mitarbeitende im Durchschnitt zwei Tage remote (also nicht vom angestammten Büroplatz aus) arbeiten zu lassen. 


Folglich kann erst definiert werden, wie viele Büroflächen eigentlich noch gebraucht werden, nachdem auch geklärt ist, welche Tätigkeiten überhaupt noch im Büro ausgeübt werden (sollen). Um diese Frage zu beantworten, muss zuerst verstanden werden, welche strategischen Ziele eine Firma mit der richtigen Workplace-Strategie erreichen kann. Die meisten Projekte konzentrieren sich hierbei auf drei Ziele, bei denen die Arbeitsräume eine maßgebliche Rolle spielen:


1. Innovationskraft steigern

Die Innovationsfähigkeit ist der Garant für den zukünftigen Markterfolg (und Fortbestand) und befindet sich derzeit in einem starken Wandel. Die zunehmende Digitalisierung macht es möglich, repetitive Aufgaben zu automatisieren. Somit fallen diese zunehmend aus dem Lastenheft der Arbeitnehmenden. In den nächsten Jahren wird sich also eine «Ent-Industrialisierung» im Büro durchsetzen.


In den letzten 200 Jahren wurde im Büro gelernt, ganzheitliche Prozesse zu zerstückeln, die einzelnen Stücke von einem Leistungsträger immer und immer wieder durchführen zu lassen und dabei stets effizienter zu werden. Dies hatte einen unmittelbaren Einfluss auf die physische Bürogestaltung. Das beste Beispiel hierfür sind die berühmten Cubicles oder auch die langen Tischreihen in Großraumbüros. 


Doch nun übernehmen Algorithmen und künstliche Intelligenz zusehends solche Aufgaben. Was bleibt, ist die menschliche Superkraft: unsere Kreativität. Und die Chance, diese über Co-Kreation, agile Methodiken und Serendipität 13 in erfolgsversprechende Innovationen zu verwandeln. Dies passiert allerdings nicht im Einzelbüro oder bei der konzentrierten Arbeit allein. Denn das menschliche Gehirn entwickelt nur dann neue Ideen, wenn es Hunderte Ideenfragmente zufällig oder gezielt aufnimmt und die Zeit findet, diese Informationen in aller Ruhe weiterzuverarbeiten.


Innovative Arbeitsplatzkonzepte schaffen Raum für Ideen

Eine innovative Unternehmung fördert in ihren Büros Kollaboration, Community-Bildung, Austausch und offene Kommunikation und gestaltet die Räume entsprechend. Als Ergänzung unterstützt ein moderner Konzern gezielt das Remote Working sowie das regenerative Arbeiten.

Die Herausforderung besteht allerdings darin, dass die meisten Firmen bereits im Anflug sind und nun rasch entscheiden müssen, welchen Flughafen sie ansteuern wollen. Das Modell der «Hybrid Working Progression» zeigt dies klar auf: Je nach Zukunftsstrategie, aktuellem Status quo und den lancierten oder eben noch ausstehenden Unternehmensinitiativen können Firmen unterschiedliche Flughäfen anfliegen. Dabei unterscheidet das Modell grob zwischen fünf Progressionsstufen: von den traditionellen «New Ways of Working» (praktisch Standard vor der Pandemie) über das fluide Office (innovationsfokussiertes Konzept) bis hin zum virtuellen Office, in dem die Leute hauptsächlich digital und in «Open Source Communities» zusammenarbeiten. Welches die jeweils geeignete Progressionsstufe ist, zeigt sich anhand eines profunden Strategie-Assessments, das dann in die richtige Experience-Definition übersetzt werden kann.



2. Emotionale Bindung stärken

Bereits vor der Pandemie war es eine der Hauptsorgen vieler CEOs, die besten Talente zu finden und sich bei der Rekrutierung gegen Mitbewerber zu behaupten. Dies hat sich nun potenziert und wird in Zukunft weiter ins Zentrum jeder Unternehmensstrategie rücken. Denn: Nur wer die fähigsten Leute anstellt und es schafft, sie zu behalten, kann überhaupt die Rolle eines Vorreiters übernehmen. Und die Menschen von heute suchen einen Ort, an dem sie sich in flexiblen Arbeitsplatzmodellen frei entfalten und weiterentwickeln können. Firmen suchen deshalb nach der richtigen Positionierung als «Employer of Choice», denn die aktuelle Generation prägt mit ihrem differenzierten Welt- und Leistungsbild die Arbeitswelt der Zukunft.


Räume verbinden

Die Räumlichkeiten einer Firma können die richtige Atmosphäre dafür schaffen. Trimmt ein Unternehmen seine Raumtypologien ohnehin auf Innovation, können auch gleich notwendige Elemente für eine nachhaltige Bindung miteinfliessen.


Natürlich steht der Mensch im Zentrum  eines jeden erfolgreichen Arbeitsplatzkonzeptes. Trotzdem messen die meisten existierenden Konzepte dem Faktor Mensch noch zu wenig Bedeutung  zu. Auch das seit 2010 global ausgerollte Konzept «New Ways of Working» folgte anfänglich einem human-zentrischen Design. Dann fokussierte es sich jedoch vielfach primär auf die Kostenbetrachtung und war noch zu sehr den alten, prozessualen Mustern aus Zeiten vor der Digitalisierung unterworfen. Wie man in den letzten zwei Jahren in der breiten Presse mitverfolgen konnte, ändert sich dies aktuell. Diversität, also eine multikulturelle, reich facettierte Belegschaft bewusst einzubinden, sollte für jede innovative Unternehmung selbstverständlich sein, da sie ebenso vielschichtige Mehrwerte bringt.


Regenerative Arbeitsmodelle

Auch das Thema Wohlbefinden ist von hoher Wichtigkeit und geht sogar eine Stufe weiter: mit regenerativen Arbeitsplatzkonzepten. Die JLL-Studie "Regenerative Workplace" zeigt, dass während der Pandemie beim Arbeiten von zu Hause aus Menschen ihren Körper und Geist stärken konnten. In der Post-Pandemiezeit wird es wichtig sein, diese positiven Elemente auch ins Büro zu transferieren, sodass der Mensch sich dort nicht nur sicher und sozial eingebettet fühlt, sondern auch persönlich (und zum Wohle der Firma) prosperieren kann. Dies erreicht man über passende Raumgestaltung, aktives Workforce Management und die richtige Befähigung. Wenn eine Firma ein solches regeneratives Arbeitsmodell anbietet, wird sie die ersehnten Talente mühelos anziehen können.



Nachhaltig, sozial, ökologisch

Nicht nur Arbeitnehmende schauen kritischer auf ihre Arbeitgeber, auch Kunden und Shareholder konsumieren und investieren bewusster: Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung aus? Welche Produktionsprozesse verwenden wir, welche Güter stellen wir her, welche Dienstleistungen bieten wir an – und stehen diese im Einklang mit dem nachhaltigen Fortbestand unseres Planeten?


Folglich muss das Unternehmen Mitarbeitenden, Kunden, der Gesellschaft und den Shareholdern eine Art «Social Contract» anbieten: eine Vereinbarung, die weit über Geld und geldwerte Vorteile hinausgeht. Dies ist ein gemeinsames Versprechen, welches emotional verbindet. Dazu gehören auch der Sinn und Zweck einer Firma und ihres individuellen Beitrages an den Umweltschutz und die soziale Komponente. Ein plakatives Beispiel ist eine Firma, die Technologien für den Umweltschutz anbietet, gegenüber einer anderen Firma, die Produkte anbietet, welche allgemein als umweltschädlich gelten. Erstere wird weniger Schwierigkeiten haben, junge und nachhaltig denkende Talente zu finden. Zudem sind der intrinsische Antrieb und die Motivation grösser, wenn Handlungen einem höheren Zweck dienen. Im Büro kann man dies sicherstellen, indem man die gesamte Employee Experience geschickt ausarbeitet und das eigene Marken und Wertemodell gut tariert darin einbettet.


Ziel sollte sein, dass Mitarbeitende sowie andere Stakeholder mit Stolz und Anerkennung von den Unternehmensräumlichkeiten erzählen. Will man den bestmöglichen Effekt erreichen, sollen die Mitarbeitenden nicht mehr nur bloße Nutznießer, sondern auch tatkräftige Gestalter der neuen Arbeitskultur sein – denn sie sind der wichtigste Teil davon. Und immer häufiger betreut sie ein «Office Manager», eine Person, die sich gezielt um das Wohlbefinden und das Funktionieren einer Office Community kümmert. Heute ist dies vielfach noch Aufgabe des Vorgesetzten, obschon diese Rolle andere Fähigkeiten und Zielsetzungen verlangt.


3. Rentabilität sicherstellen

Wenn es um eine Investition geht, gilt stets: sie muss rentabel sein, ansonsten wäre sie nicht nachhaltig. Dies trifft ebenfalls auf ein Büro als Teil eines hybriden Arbeitsplatzkonzeptes zu: Wenn die Umsetzung nicht mehr einbringt, als sie kostet, macht das geplante Konzept keinen Sinn. Allerdings ändern und erweitern sich auf beiden Seiten dieser Gleichung die Terme: Der Wert der Innovation über den Raum lässt sich für eine Unternehmung bereits sehr präzise berechnen und definieren. Auch sind die Opportunitätskosten insbesondere bei Retention und Akquisition plötzlich angestiegen.


Auf der anderen Seite verlangt das Arbeiten von heute viel Agilität; dies nicht nur bei der Unternehmenskultur und Arbeitsmethodik, sondern auch bei der Nutzung der Unternehmensräume. Ein smart konzeptioniertes, nachhaltiges Büro kann hier ungeplante, direkte Abschreibungen oder unerwartete Folgeaufwände vermeiden und somit die Investition und die laufenden Ausgaben nachhaltig schützen. Dies wird in künftigen Business Cases eine wichtige Rolle spielen. Und nur diejenige Firma, die es versteht, den Mehrwert von hybriden Arbeitsplatzkonzepten finanziell richtig zu bewerten, kann auch nachhaltig wachsen und ihre Ziele erreichen.


Was muss ein Unternehmen jetzt tun?

Die grosse Herausforderung besteht darin, dass das «New Normal» ein sich ständig bewegendes Ziel ist und es wohl auch bleiben wird. Aus diesem Grund empfiehlt sich, ein eigenes, hybrides Arbeitskonzept zu entwickeln und es deutlich stärker mit der eigenen Unternehmensstrategie und dem operativen Management von Mensch, Raum und Technik zu verknüpfen.

Konkret startet dies mit dem ganzheitlichen Assessment und der Übersetzung der Unternehmensstrategie in eine Zielkultur, die durch ein präzises «Human Experience Design» entwickelt werden kann. Ist diese Experience definiert, leiten sich daraus die zudienenden Services ab. Stehen die Anforderungen an eine Workplace-Strategie fest, beginnt die Arbeit an den einzelnen zudienenden Workplace-Funktionen – wie zum Beispiel Cafeteria und Pausenraum, hybride Meetingräume, agile Studios und viele mehr. Und ganz am Schluss geht es um das finale Design, welches die Experience durch eine emotionale Raumgestaltung unterstützt und greifbar macht.


Change-Management

Das Konzept steht, die Räume sind einladend und perfekt auf die Bedürfnisse einer modernen Belegschaft abgestimmt. Die Mitarbeitenden sollten nun dazu befähigt werden, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und das volle Potenzial zu nutzen. Ziel ist es, die Belegschaft an die neue Arbeitsweise zu gewöhnen, um tatsächlich alle Vorteile zu nutzen. Hierfür sind ein konsequentes Changemanagement und die nachgelagerte ständige Begleitung und Adaption des Arbeitsplatzkonzeptes essenziell. Das moderne Arbeiten ist kein «Change the business»-Prozess mehr, der ins «Run the business» mündet. Es ist vielmehr eine «Constantly evolve the business»-Initiative.


Fazit

Das zukünftige, hybride Arbeitskonzept wird konsequent über die Unternehmensstrategie definiert. Hierbei spielen Innovationskraft, emotionale Bindung und der Return on Investment die Hauptrollen. Firmen profitieren dabei von einer beschleunigten technischen und gesellschaftlichen Transformation nach der Pandemie. Schwindende Silos und hierarchische Strukturen werden das Arbeiten stärker agilisieren und sich im Raum materialisieren. Unternehmen werden die Vorteile des Remote Working nutzen und während der Pandemie neu entdeckte leistungsfördernde Elemente bewusster einsetzen. Die Konsequenzen werden multidisziplinäre Büro-Clubs sein, mit viel Raum für fluides Arbeiten und Co-Kreation. Ebenso werden dort die Werte und der Sinn der Marke, aber auch die Community-Bildung manifestiert. Die Firma verfolgt damit das Ziel, die besten Mitarbeitenden zu gewinnen, zu fördern und so einzusetzen, dass die Innovationskraft steigt. In den nächsten zwei Jahren werden viele Unternehmen Zeit und Ressourcen investieren, um den richtigen Flughafen zu finden, sprich das für sie ideale Arbeitsplatzkonzept samt Portfolio-Strategie zu definieren und anschließend umzusetzen. Parallel dazu sollten sich Investoren und Bestandshalter von Büroimmobilien Gedanken darüber machen, wie und welche Bedürfnisse des hybriden Arbeitens sie proaktiv anbieten sollten.


Marco Huber für JLL; 11.2.2022

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